Im März 1989 erhält Van Thuân die Erlaubnis, seine hochbetagten Eltern, die mittlerweile in Sydney leben, besuchen zu dürfen. Es ist ihm auch gestattet, nach Rom zu reisen, um den Heiligen Vater zu treffen, und anschließend nach Hanoi zurückzukehren. 1991 wird ihm erneut eine Reiseerlaubnis erteilt, die Rückkehr nach Vietnam aber untersagt.
Du hast ein Vaterland, Vietnam,
Das seit Jahrtausenden sehr geliebt wird.
Es ist dein Stolz und deine Freude.
Liebe seine Berge und Flüsse,
So kostbar wie Samt und Seide.
Liebe seine glorreiche Geschichte,
Liebe sein fleißiges Volk,
Liebe seine heldenhaften Krieger.
Mächtig durchströmen es seine Flüsse,
aber auch das Blut seines Volkes.
Hoch erheben sich seine Gebirge,
Aber höher noch die Gebeine.
Ein schmaler Landstreifen nur,
Aber wie groß sein Ehrgeiz,
Ein kleines Land mit großem Ruhm!
Diene deinem Land mit ganzem Herzen,
Bleib ihm treu mit vollem Engagement,
Verteidige es mit deinem Blut,
Baue es auf mit deinem Herzen und deinem Verstand.
Teile die Freude deiner Brüder und Schwestern
Und das Leid deines Volkes.
(Hoffnungswege. Botschaft der Freude aus dem Gefängnis, S. 83)
Für ihn beginnen die Jahre des Exils. Im Herzen bleibt er seinem Heimatland und der Kirche Vietnams eng verbunden. Er unternimmt vielfältige Anstrengungen, um soziale Anliegen zu unterstützen und zu fördern, beispielsweise Behandlungszentren für Leprakranke, verschiedene gemeinnützige Organisationen sowie Studienprojekte, die sich mit der vietnamesischen Kultur und der katholischen Kirche in Vietnam beschäftigen. Auch für den Wiederaufbau von Kirchen und für die Ausbildung von Seminaristen sammelt er Spenden.
Allen persönlichen Einschränkungen zum Trotz, die ihm seitens der kommunistischen Machthaber auferlegt sind, lebt und verkündet er Vergebung und Versöhnung. In den ersten Jahren in Rom betreut Van Thuân die vietnamesischen Auslandsgemeinden in Europa. Weltweit wird er eingeladen, um Vorträge zu halten und zu predigen. Für sein beispielhaftes Leben und sein Engagement erhält er zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen, so 1996 die Ehrendoktorwürde der Universität der Jesuiten in New Orleans, LA, USA.
Im November 1994 ernennt ihn der Heilige Vater zum Vizepräsidenten des ‚Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden' und schließlich am 24. Juni 1998 zu dessen Präsidenten. Ein Jahr später erhält er von Papst Johannes Paul II. die besondere Einladung, die Fastenexerzitien der Kurie am Beginn des neuen Jahrtausends zu halten. Das Oberthema dieser Meditationen ist die Hoffnung.
Bei einer Privataudienz nach den Exerzitien, als der Heilige Vater ihm einen Kelch gibt, sagt Van Thuân:
Vor 24 Jahren, las ich die Messe zelebrierte mit drei Tropfen Wein und einem Tropfen Wasser in der Handfläche, wäre mir nicht im Entferntesten in den Sinn gekommen, dass der Heilige Vater mir heute einen vergoldeten Kelch zum Geschenk machen würde. ... Gott ist groß und groß ist seine Liebe.
(Hoffnung, die uns trägt, S. 16)
Am 21. Februar 2001 wird Van Thuân durch den Heiligen Vater zum Kardinal erhoben und in das Kardinalskollegium aufgenommen. Gleichzeitig erfolgt die Ernennung zum Titularbischof der Kirche Santa Maria della Scala im römischen Trastevere.
Zu diesem Zeitpunkt weiß er bereits von seiner unheilbaren Krebserkrankung. Seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis hat er sich sieben Operationen unterziehen müssen, der letzten am 8. Mai 2002 in Mailand. Sein Zustand verschlechtert sich zusehends. Bereits schwer gezeichnet von seiner Krankheit, unterschreibt er das Manuskript des ‚Kompendiums der Soziallehre der Kirche', an dessen Verfassung er maßgeblich beteiligt war, dessen Veröffentlichung er aber nicht mehr erleben wird.
Am 16. September 2002 stirbt Kardinal François Xavier Nguyên Van Thuân in Rom. Beigesetzt wird er zunächst auf dem Hauptfriedhof von Rom, dem Campo Verano, dann, am 8. Juni 2012, in eine Seitenkapelle seiner Titularkirche Santa Maria della Scala umgebettet.
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